Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) bildet die zentrale Grundlage des deutschen Wettbewerbsrechts. Es regelt, welche geschäftlichen Handlungen als unlauter gelten und schützt damit sowohl Mitbewerber als auch Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer vor unlauterem Wettbewerb.
Grundlagen des UWG
Das UWG verfolgt mehrere Schutzzwecke:
- Schutz der Mitbewerber
- Schutz der Verbraucher
- Schutz der sonstigen Marktteilnehmer
- Schutz der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb
Der zentrale Tatbestand findet sich in § 3 UWG, wonach unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig sind. Nach § 3a UWG ist eine geschäftliche Handlung unlauter, wenn sie geeignet ist, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.
Fallgruppen des unlauteren Wettbewerbs
1. Irreführende geschäftliche Handlungen (§ 5 UWG)
Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben enthält.
Beispiele:
- Falsche Angaben über Produkteigenschaften
- Irreführende Preisangaben
- Unberechtigte Verwendung von Gütesiegeln
- Irreführende Herkunftsangaben
Rechtsprechungsbeispiel: BGH, Urteil vom 07.04.2016, Az. I ZR 252/14 („Durchgestrichener Preis II“) – Der BGH entschied, dass ein durchgestrichener höherer Preis neben dem aktuellen Preis nur dann nicht irreführend ist, wenn der Händler diesen höheren Preis zuvor tatsächlich für einen angemessenen Zeitraum verlangt hat.
2. Vergleichende Werbung (§ 6 UWG)
Vergleichende Werbung ist grundsätzlich zulässig, wenn sie nicht irreführend ist und Mitbewerber nicht unnötig herabsetzt.
Beispiele:
- Preisvergleiche
- Vergleiche von Produkteigenschaften
- Vergleiche von Testergebnissen
Rechtsprechungsbeispiel: BGH, Urteil vom 02.12.2021, Az. I ZR 134/20 („Kaffeekapselvergleich“) – Der BGH befand die vergleichende Werbung eines Kapselherstellers für zulässig, der seine Kapseln mit denen eines bekannten Markenherstellers verglich, weil der Vergleich sachlich und nicht irreführend war.
3. Belästigende Werbung (§ 7 UWG)
Unzumutbare Belästigungen durch Werbung sind unzulässig.
Beispiele:
- Unerwünschte Telefonanrufe (Cold Calls)
- Unerwünschte E-Mail-Werbung (Spam)
- Hartnäckiges Ansprechen in der Öffentlichkeit
Rechtsprechungsbeispiel: BGH, Urteil vom 10.12.2015, Az. I ZR 317/14 („Einwilligung in Telefonwerbung“) – Der BGH entschied, dass eine Einwilligung in Telefonwerbung konkret und eindeutig sein muss und nicht durch versteckte Klauseln in AGB eingeholt werden darf.
4. Nachahmungsschutz (§ 4 Nr. 3 UWG)
Schutz vor unlauterer Nachahmung von Produkten und Dienstleistungen.
Beispiele:
- Nachahmung mit vermeidbarer Herkunftstäuschung
- Rufausbeutung
- Behinderung des Originalanbieters
Rechtsprechungsbeispiel: BGH, Urteil vom 28.10.2010, Az. I ZR 60/09 („Pralinenform“) – Der BGH entschied, dass die Nachahmung der charakteristischen Pralinenforum eines bekannten Herstellers wettbewerbswidrig sein kann, wenn dadurch eine vermeidbare Herkunftstäuschung eintritt.
5. Gezielte Behinderung von Mitbewerbern (§ 4 Nr. 4 UWG)
Gezielte Maßnahmen, die darauf abzielen, einen Mitbewerber im Wettbewerb zu behindern.
Beispiele:
- Boykottaufrufe
- Liefersperren
- Abfangen von Kunden
- Negative Äußerungen über Mitbewerber
Rechtsprechungsbeispiel: BGH, Urteil vom 01.04.2004, Az. I ZR 97/02 („Werbeblocker“) – Der BGH entschied, dass ein Anbieter von Werbeblockern für Fernsehwerbung keine unlautere Behinderung darstellt, da der Verbraucher freiwillig entscheidet, ob er Werbung sehen möchte oder nicht.
6. Rechtsbruch (§ 3a UWG)
Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften, der dazu geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
Beispiele:
- Verstöße gegen Kennzeichnungspflichten
- Verstöße gegen Preisangabenverordnung
- Verstöße gegen das Telemediengesetz
Rechtsprechungsbeispiel: BGH, Urteil vom 10.02.2011, Az. I ZR 183/09 („Branchenbuch Berg“) – Der BGH entschied, dass ein Branchenbuchverlag, der irreführende Eintragungsformulare versandte und dabei gegen das UWG verstieß, auch wegen Rechtsbruchs belangt werden kann.
7. Aggressive geschäftliche Handlungen (§ 4a UWG)
Geschäftliche Handlungen, die die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers durch Druck oder unzulässige Beeinflussung beeinträchtigen.
Beispiele:
- Haustürgeschäfte mit psychischem Druck
- Gewinnspiele mit Kaufzwang
- Drohungen oder Nötigungen
Rechtsprechungsbeispiel: BGH, Urteil vom 03.03.2011, Az. I ZR 167/09 („Gewinnspiel im Internet“) – Der BGH entschied, dass die Koppelung eines Gewinnspiels an einen kostenpflichtigen Abonnementvertrag eine aggressive geschäftliche Handlung darstellen kann.
8. Schwarze Liste (Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG)
Der Anhang zum UWG enthält eine „schwarze Liste“ mit Geschäftspraktiken, die per se als unlauter gelten, ohne dass es einer weiteren Prüfung bedarf.
Beispiele:
- Unwahre Angaben über Gewinnchancen
- Lockangebote ohne ausreichenden Warenvorrat
- Täuschende Angaben über Verbraucherrechte
- Pyramidensysteme
Rechtsprechungsbeispiel: BGH, Urteil vom 17.07.2013, Az. I ZR 34/12 („Empfehlungsschreiben“) – Der BGH entschied, dass Werbepost, die als persönliche Empfehlung oder Privatbrief getarnt ist, gegen Nr. 22 des Anhangs zum UWG verstößt und damit per se unlauter ist.
Häufige Abmahnungen im Wettbewerbsrecht
1. Abmahnungen wegen Verstößen gegen Informationspflichten im Online-Handel
Typische Verstöße:
- Fehlende oder fehlerhafte Widerrufsbelehrung
- Mangelnde Preistransparenz
- Fehlende Angaben zum Händler (Impressum)
- Fehlende Hinweise auf Versandkosten
- Fehlende AGB oder unzulässige AGB-Klauseln
Verteidigungsstrategien:
- Regelmäßige Überprüfung des Internetauftritts auf Aktualität
- Verwendung von juristisch geprüften Mustertexten
- Nutzung von Rechtsberatung bei Änderungen des Shops
- Bei Abmahnung: Prüfung der Aktivlegitimation des Abmahnenden
2. Abmahnungen wegen irreführender Werbung
Typische Verstöße:
- Falsche Produktbeschreibungen
- Irreführende Preisangaben
- Unzulässige Verwendung von Gütesiegeln
- Unzulässige Umweltaussagen („Greenwashing“)
Verteidigungsstrategien:
- Sorgfältige Prüfung der Werbeaussagen vor Veröffentlichung
- Belegbarkeit aller Werbeaussagen sicherstellen
- Bei Abmahnung: Berechtigung der Beanstandung prüfen
- Gegebenenfalls modifizierte Unterlassungserklärung abgeben
3. Abmahnungen wegen unzulässiger E-Mail-Werbung
Typische Verstöße:
- Werbe-E-Mails ohne Einwilligung
- Fehlende Möglichkeit zum Widerspruch
- Fehlendes oder unvollständiges Impressum in E-Mails
Verteidigungsstrategien:
- Double-Opt-In-Verfahren für Newsletter implementieren
- Nachweis der Einwilligung dokumentieren und aufbewahren
- Einfache Abmeldemöglichkeit in jeder E-Mail anbieten
- Bei Abmahnung: Nachweis der Einwilligung prüfen
4. Abmahnungen wegen Marken- und Kennzeichenrechtsverletzungen
Typische Verstöße:
- Unberechtigte Nutzung geschützter Marken
- Unzulässige Verwendung von geschützten Produktbildern
- Verletzung von Markenrechten in Produktbeschreibungen
Verteidigungsstrategien:
- Markenschutzrecherche vor Verwendung von Kennzeichen
- Nur eigene oder lizenzierte Produktbilder verwenden
- Bei Abmahnung: Schutzfähigkeit und Schutzumfang der Marke prüfen
- Rechtliche Grenzen der Markennutzung (z.B. zu Vergleichszwecken) kennen
5. Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen
Typische Verstöße:
- Unberechtigte Nutzung von Bildern, Texten oder Videos
- Nutzung von Stock-Fotos ohne ausreichende Lizenz
- Unerlaubte Übernahme von Produktbeschreibungen
Verteidigungsstrategien:
- Nur eigene oder lizenzierte Inhalte verwenden
- Lizenzen dokumentieren und Nutzungsbedingungen einhalten
- Bei Abmahnung: Urheberschaft und Rechteinhaberschaft prüfen
- Gegebenenfalls auf Schranken des Urheberrechts berufen
Allgemeine Strategien zur Abwehr von Abmahnungen
1. Prüfung der formalen Voraussetzungen
- Ist der Abmahnende aktivlegitimiert (Mitbewerber, Verband)?
- Liegt eine ordnungsgemäße Vollmacht vor?
- Ist die Frist zur Abgabe der Unterlassungserklärung angemessen?
- Ist der Verstoß hinreichend konkret bezeichnet?
2. Inhaltliche Prüfung der Abmahnung
- Liegt tatsächlich ein Wettbewerbsverstoß vor?
- Ist die geforderte Unterlassungserklärung angemessen oder zu weitgehend?
- Sind die geforderten Abmahnkosten angemessen?
3. Mögliche Reaktionen auf Abmahnungen
- Abgabe der unmodifizierten Unterlassungserklärung
- Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung
- Zurückweisung der Abmahnung
- Ausgleichende Schutzschrift bei Gericht hinterlegen
- Negative Feststellungsklage erheben
4. Kostenminimierung
- Prüfung, ob ein Bagatellverstoß vorliegt (§ 13 Abs. 4 UWG)
- Prüfung, ob die Abmahnung rechtsmissbräuchlich ist (§ 8c UWG)
- Vergleichsverhandlungen zur Kostenreduktion
- Gegebenenfalls Streitwertreduzierung beantragen