Das internationale Recht in Deutschland, Europa und global ist vielschichtig und umfasst verschiedene Rechtsquellen, Prinzipien und Institutionen.
1. Besonderheiten des internationalen Rechts in Deutschland
1.1 Dualismus im Völkerrecht
Deutschland folgt dem „dualistischen System“, d. h. völkerrechtliche Verträge werden nicht automatisch Bestandteil des deutschen Rechts, sondern müssen erst in nationales Recht umgesetzt werden. Dies erfolgt durch ein Zustimmungsgesetz des Bundestages gemäß Art. 59 Abs. 2 GG.
Beispiel:
- BVerfG, Urteil vom 12. Juni 2018, Az.: 2 BvR 1958/13 (Völkerrecht und nationales Recht)
- Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass völkerrechtliche Verträge zwar verbindlich sind, aber nicht automatisch innerstaatliche Wirkung entfalten, wenn sie nicht durch ein Gesetz transformiert wurden.
1.2 Anwendung von EU-Recht in Deutschland
Deutschland ist Mitglied der EU, weshalb das EU-Recht Vorrang vor nationalem Recht hat. Dies bedeutet, dass nationale Gesetze, die gegen EU-Recht verstoßen, nicht angewendet werden dürfen.
Beispiel:
- EuGH, Rs. 6/64, Costa/E.N.E.L.
- Der Europäische Gerichtshof entschied, dass das EU-Recht Vorrang vor nationalem Recht hat und nicht durch innerstaatliche Vorschriften außer Kraft gesetzt werden kann.
1.3 Kollisionsrecht und Internationales Privatrecht (IPR)
Das deutsche internationale Privatrecht ist im EGBGB (Einführungsgesetz zum BGB) geregelt und bestimmt, welches nationale Recht auf grenzüberschreitende Sachverhalte anwendbar ist. Die wichtigste EU-Verordnung in diesem Bereich ist die ROM-I-VO (Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht).
Beispiel:
- BGH, Urteil vom 23.01.2013, Az.: VIII ZR 94/12 (Anwendbares Recht auf Kaufverträge)
- Der BGH stellte fest, dass auf einen internationalen Kaufvertrag deutsches Recht anwendbar war, da die Parteien dies nach Art. 3 ROM-I-VO ausdrücklich vereinbart hatten.
2. Besonderheiten des internationalen Rechts in der EU
2.1 Primär- und Sekundärrecht
Das EU-Recht besteht aus:
- Primärrecht (Verträge wie EUV, AEUV)
- Sekundärrecht (Verordnungen, Richtlinien)
Verordnungen gelten unmittelbar, während Richtlinien erst in nationales Recht umgesetzt werden müssen.
Beispiel:
- EuGH, Rs. C-62/14, Gauweiler u. a. / Deutscher Bundestag (EZB und Staatsanleihekäufe)
- Der EuGH entschied, dass das OMT-Programm der EZB mit dem EU-Recht vereinbar ist.
2.2 Rechtsprechung des EuGH und deren Wirkung
Der EuGH stellt sicher, dass EU-Recht in allen Mitgliedstaaten einheitlich ausgelegt und angewendet wird.
Beispiel:
- EuGH, Rs. C-673/17, Planet49 (Cookies und Datenschutz)
- Der EuGH entschied, dass Nutzer aktiv in die Speicherung von Cookies einwilligen müssen. Dies hatte erhebliche Auswirkungen auf Datenschutzpraktiken in der EU.
3. Besonderheiten des internationalen Rechts auf globaler Ebene
3.1 Völkerrecht und UN-Recht
Das Völkerrecht regelt die Beziehungen zwischen Staaten und internationalen Organisationen. Die wichtigsten Quellen sind:
- Völkerrechtliche Verträge (z. B. UN-Charta, Klimaschutzabkommen)
- Völkergewohnheitsrecht (Praxis der Staaten)
- Allgemeine Rechtsgrundsätze
Beispiel:
- IGH, Nicaragua gegen USA (1986)
- Der Internationale Gerichtshof entschied, dass die USA durch Unterstützung der Contra-Rebellen das Völkerrecht verletzt hatten.
3.2 WTO-Recht und Handelsabkommen
Die WTO (Welthandelsorganisation) regelt internationalen Handel und Streitigkeiten zwischen Staaten.
Beispiel:
- WTO-Streitfall: EU – Boeing vs. Airbus (DS316)
- Die WTO stellte fest, dass sowohl die EU als auch die USA unrechtmäßige Subventionen an Airbus bzw. Boeing gewährt hatten.
4. Wichtige internationale Vertragsarten zwischen Unternehmen
4.1 Kaufverträge nach UN-Kaufrecht (CISG)
Das UN-Kaufrecht (CISG) gilt für internationale Warenkäufe, wenn beide Vertragspartner aus Vertragsstaaten stammen.
Beispiel:
- BGH, Urteil vom 24.09.2014, Az.: VIII ZR 394/12 (UN-Kaufrecht und Rücktrittsrecht)
- Der BGH entschied, dass das Rücktrittsrecht des Käufers nach UN-Kaufrecht nicht identisch mit deutschem Recht ist.
4.2 Joint-Venture-Verträge
Internationale Unternehmen schließen Joint Ventures ab, um gemeinsam Märkte zu erschließen.
Beispiel:
- Daimler & BYD Joint Venture für Elektroautos
- Daimler und BYD schlossen ein Joint Venture für Elektrofahrzeuge in China.
4.3 Lizenzverträge
Internationale Lizenzverträge regeln die Nutzung geistigen Eigentums.
Beispiel:
- Apple vs. Qualcomm Lizenzstreit
- Apple und Qualcomm führten jahrelange Lizenzstreitigkeiten über Patente für Mobilfunktechnologie.
5. Rolle von Anwälten im internationalen Recht
Internationale Rechtsanwälte übernehmen eine Vielzahl von Aufgaben, darunter:
- Beratung zu anwendbarem Recht (z. B. bei internationalen Verträgen)
- Vertragsgestaltung und Compliance (z. B. Handelsverträge, Datenschutz)
- Streitbeilegung und Schiedsverfahren (z. B. ICC-Schiedsgerichtsbarkeit)
- Vertretung vor internationalen Gerichten (z. B. EuGH, WTO, IGH)
- M&A-Transaktionen und Joint Ventures (z. B. Fusionen mit ausländischen Unternehmen)